Drohnenland

Die ersten 30 Minuten mit Tom Hillenbrands »Drohnenland«

Endlich hatte ich wieder Zeit, 30 Minuten in einem Buch zu schmökern. Dieses Mal traf es Tom Hillenbrands »Drohnenland«, Gewinner des Friedrich-Glauser-Preises für den besten Krimi und des Kurd-Laßwitz-Preises für den besten Science-Fiction Roman 2015. Bei der Lektüre von Hillenbrands »Drohnenland« kann ich mir gut vorstellen, wie sich die Fernsehzuschauer in den 60er Jahren vorgekommen sein müssen, als Star Trek ins Fernsehen kam.

Die Science-Fiction Serie, in der James T. Kirk, Leonard -Pille- McCoy und Spock von einem Abenteuer zum anderen flogen, war in vielerlei Hinsicht revolutionär. Star Trek zeigte uns eine soziale Utopie, in der Rassengleichheit herrschte, es kein Arm und Reich gab und Konflikte am besten mittels Diplomatie ausgefochten wurden. Interessanterweise hat sich an der Brisanz der Themen noch immer nichts geändert. Dabei feiert Star Trek nächstes Jahr seinen 50stes Leinwandjahr.

Darüber hinaus präsentierte Star Trek seinen damaligen Zuschauern eine Welt voller technischer  Wunder. Wandgroße Bildschirme, kabellose Telekommunikation, Rechenmaschinen, die mittels Stimmwiedergabe mit seinen Benutzern sprach. Wie abstrus all diese Star Trek Gadgets den damaligen Zuschauern vorgekommen sein müssen, die Kirk und Co. wie selbstverständlich benutzten. Denn man muss solche Visionen immer mit dem Hintergrund der damaligen Entwicklungen anschauen.

In den 60ern wurde der Taschenrechner entwickelt, der gerade mal die Grundrechenarten beherrschte und so groß war wie eine Schreibmaschine. Oder die ersten Transistorradios und Farbfernseher. Aber abgesehen vom Warp-Antrieb und der Teleportation hat Star Trek viel Technik vorhergesagt, die wir tagtäglich benutzen. Jeder in Deutschland kennt Beamer, Fernseher von der Größe einer Badewanne, Siri, Iphone, kabelloses Internet.

Und trotzdem komme ich mir vor, als sei Hillendbrands »Drohnenland« eine abstruse Zukunftsvorstellung. Hillenbrand, eigentlich bekannt für seine »kulinarischen Krimis«, entführt uns dieses Mal nicht in das heutige Luxemburg, sondern in ein Belgien einer nicht weit entfernten Zukunft. Und wie es sich für einen Krimiautor gehört, verpackt er seine Zukunftsvision in einen Krimi-Rahmen. Wir begleiten Kommissar Aart van der Westerhuizen bei der Suche nach dem Mörder eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Aber statt gewohnte Tatort-Kriminalarbeit zu betreiben, überlässt Westerhuizen sie einem mächtigen Computer, genannt Terry. Dieser ist imstande, anhand von Social-Media Einträgen, Emails, Telefonverbindungen und Bankverbindungen die Bewegungsmuster von Opfern (und sicherlich Tätern) vorherzusagen, dessen soziale Kontakte zu finden, ja sogar seine sexuellen Präferenzen. Tatorte werden nicht begangen, sondern eingescannt, »gespiegelt« nennt Hillenbrand diese Technik. Auf dem Revier kann dann der Kommissar den Tatort in einer virtuellen Realität begehen und analysieren.

Das Gefühl der abstrusen Zukunftsvision beschlich mich, weil bisher hat noch keine Vision – weder Film noch Roman – all die heutigen technischen Möglichkeiten miteinander kombiniert und derart konsequent weitergedacht. Autos, Handys, Computer, Brillen, die heimische Soundanlage – alles ist vernetzt, alles sendet Daten und alles empfängt Daten. Daten, die wiederrum zur Vorhersage von persönlichen Verhaltensmustern benutzt werden. Was aus heutiger Sicht wie ein Datenschutz-Albtraum wirkt, ist in Westerhuizens Welt vollkommen normal. Es irritiert, mit welcher Selbstverständlichkeit der Kommissar diese Kombination aus Technologien benutzt, vor der Datenschützer warnen. Denn ein großer Teil all dieser Techniken ist eben heutzutage schon möglich oder wird gerade erforscht.

Wie sieht es mit dem Kommissar aus? Westerhuizen war mir auf Anhieb sympathisch. Er ist nicht einer diesen kaputten Typen im Stil von Mankel (oder eben häufig Tatort). Zwischen ihm und seinen Helferchen gibt es (bisher) keine künstlichen Konflikte. Er ist ein starker Kerl, der sich seiner Sache sicher ist. Westerhuizen wirkt wie eine Mischung aus Dirty Harry (kennt sich mit Waffen aus), Dick Tracy (trägt einen Trenchcoat und Hut mit dicker Krempe) und Columbo (schlotzt an Lakritzstangen). Eben all jene starken Typen, denen wir immer gerne dabei zugeschaut haben, wie sie die Bösewichte fassen. Ich bin gespannt, wie »Drohnenland« weitergeht. Ich hoffe/ahne, dass dem Kommissar bald aufgeht, dass jede Technologie auch Möglichkeiten bietet, sie zu manipulieren. Wir werden sehen.

Würde ich denn »Drohnenland« nach diesen 30 Minuten weiterlesen? Die Antwort: Ein klares JA!

Tom Hillenbrand – »Drohnenland«. Kiwi-Verlag. 440 Seiten. Taschenbuch & Kindle-Edition: 9.99€

gepostet (FTo) =Fabian Tomaschek