... wurde am 20. April 1848 in Breslau als Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren. Der Vater war Unternehmer im Eisengroßhandel und einige Jahre demokratischer Abgeordneter im Preußischen Landtag.
In seiner Jugendzeit entwickelt Kurd Laßwitz ein ausgeprägtes Interesse für die Naturwissenschaften und die Philosophie, was für seinen weiteren Lebensweg von entscheidender Bedeutung werden sollte. Zunächst beginnt Laßwitz nach dem Abitur (1866) ein Studium der Mathematik und Physik an der Universität Breslau, wo er u. a. die Vorlesungen des Astronomen Johann Gottfried Halle, Entdecker des Planeten Neptun, besucht. Dann begibt sich der junge Laßwitz ein Jahr an die Universität von Berlin, wo er sich philosophischen Vorlesungen zuwendet. Sein Studium wird 1870 unterbrochen, als er sich freiwillig zum Militär meldet und 1871 in Frankreich im Bewachungsdienst zum Einsatz kommt.
Nach dem Friedensschluss kann sich Laßwitz nunmehr intensiv dem Abschluss seines Studiums widmen und promoviert 1873 mit dem naturwissenschaftlichen Thema »Über Tropfen, welche an festen Körpern hängen und der Schwerkraft unterworfen sind« zum Doktor der Philosophie.
Das Zusammenwirken von Naturwissenschaft und Philosophie bestimmt auch die ersten literarischen Arbeiten des jungen Laßwitz. Bereits 1871 war in der Schlesischen Zeitung seine Kurzgeschichte »Bis zum Nullpunkt des Seins« erschienen, in der in noch unausgereifter Form ethische Konflikte in einer phantastisch geschilderten technisierten Welt dargestellt werden. Schon hier, wie auch in vielen späteren Werken Laßwitz´, stehen Philosophie und Ethik Immanuel Kants und deren Bedeutung in einer technisch-industrialisierten Welt im Mittelpunkt.
Obwohl Laßwitz mit seiner ersten utopischen Kurzgeschichte bereits das Fundament einer neuen Art von Literatur in Deutschland gelegt hat und er heute vielfach als »Vater der deutschsprachigen Science Fiction« kolportiert wird, ist er doch nie ein SF-Autor im engeren Sinne gewesen.
Im Hauptberuf verfolgt Kurd Laßwitz nach seiner Promotion das Ziel, Hochschulprofessor zu werden. 1874 legt er das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab in den Fächern Philosophie, Physik, Geographie und Mathematik , und beginnt noch im gleichen Jahr die Arbeit an seinem zentralen Werk »Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis zu Newton«, das erst im Jahr 1890 veröffentlicht wird. Leider verhilft ihm weder diese aufwändige Arbeit noch seine 1883 erschienene Schrift »Die Lehre Kants von der Idealität des Raumes und der Zeit« zu einer Hochschulprofessur. So bleibt Kurd Laßwitz, der nach dem Staatsexamen und nach kurzzeitiger Lehrtätigkeit an den Gymnasien in Breslau und Ratibor am Gothaer Gymnasium Ernestinum eingestellt wird, bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung (1908) dort tätig und unterrichtet die Studienfächer Mathematik und Physik. Einer seiner Schüler übrigens wurde ein ebenfalls bekannter deutscher SF-Autor: Hans Dominik.
Die Tätigkeit als Gymnasiallehrer gibt Kurd Laßwitz genügend Raum für seine schriftstellerischen Ambitionen, die sowohl auf Sachbücher als auch auf Literarisches gerichtet sind. Bis an sein Lebensende wird er immer wieder um eine Harmonisierung von Naturwissenschaft und Philosophie streiten, die Fragen der Ethik in einer von der Technik geprägten Welt zu lösen suchen, geleitet vom philosophischen Humanismus Immanuel Kants.
In die Gothaer Zeit fallen auch wichtige familiäre Ereignisse im Leben von Kurd Laßwitz. 1876 heiratet er Jenny Landsberg, eine Breslauer Kaufmannstochter aus jüdischer Familie; 1877 und 1880 werden die Söhne Rudolf und Erich geboren.
Er schreibt zahlreiche Artikel und Essays zu Themen der Kunst und Wissenschaft, u. a. für die »Deutsche Literaturzeitung« und die »Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie«. In seiner Kurzprosa entfaltet sich oft seine Neigung zum Humoristischen, so etwa in der Kurzgeschichte »Mirax: Träume eines modernen Geistersehers« (1888), worin er sich spöttisch gegen den in Mode gekommenen Mystizismus und Okkultismus wendet. Schon als Jugendlicher hatte Laßwitz unter dem Pseudonym Jeremias Heiter eine Humoreske veröffentlicht (»Herr Strehle oder der poetische Hauslehrer«, 1868).
1895 beginnt Laßwitz die Arbeit an seinem Marsroman »Auf zwei Planeten«, der 1897 in einer kleinen, zweibändigen Startauflage erscheint und umgehend einen beachtlichen Erfolg zeitigt. Bereits 1898 folgt die zweite Auflage, und der Roman wird in fremde Sprachen übersetzt. In der Folgezeit wächst die Zahl der Neuauflagen und Übersetzungen stetig an und kommt erst in der Zeit des Nationalsozialismus zum Stillstand, da die antimilitaristische und pazifistische Grundhaltung des Romans im Gegensatz zu den Absichten der braunen Machthaber steht.
Vom Denken Kants inspiriert ist auch die Fabel »Homchen. Ein Tiermärchen aus der oberen Kreide« (1902), mit der dem Naturwissenschaftler und Philosophen eigenen Vorstellung, dass sich die Welt zu einem »höheren Zweck« in ethischem Sinne entwickelt. Aber auch die geistigen Einflüsse des Naturphilosophen Gustav Theodor Fechner werden in »Homchen« bereits spürbar.
Über die pantheistischen Anschauungen des Begründers der »Psychophysik« schreibt Laßwitz, der darüber hinaus eine stets kritische Haltung gegenüber metaphysischen Spekulationen eingenommen hat, in der Folge kurze Abhandlungen, Vorträge und Rezensionen zu Fechners Überlegungen von der »Allbeseeltheit« des Universums. Bereits 1896 hatte er eine Biographie zu Gustav Theodor Fechner veröffentlicht, worin er dessen Ideen mit denen Kants zu vereinen suchte, und auch in seinen Spätwerken »Aspira. Der Roman einer Wolke« (1905) und »Sternentau. Die Pflanze vom Neptunsmond« (1909) ist die Inspiration durch Fechner nicht zu übersehen.
Als »Sternentau« veröffentlicht wird, ist Kurd Laßwitz aufgrund eines im November 1907 erlittenen Schlaganfalls bereits Pensionär, er stirbt am 17. Oktober 1910.
Zu Ehren des Autors wird seit 1981 ein »Kurd-Laßwitz-Preis« verliehen, der die deutschsprachige Science Fiction-Literatur fördern und beleben soll.
Im Verlag Dieter von Reeken wird zur Zeit eine Neuausgabe der gesammelten Werke von Kurd Laßwitz (»KOLLEKTION LASSWITZ« in 20 Bänden) vorgelegt.
Heinz Wipperfürth
- In EXODUS 24 (Nov. 2008) erschien die Erzählung »Die neue Welt« als Nachdruck aus dem Jahr 1907.